Das wird den Mythos nicht brechen, aber doch so einiges ändern: das berühmte und extrem rare Westvleteren-Bier der Abtei Sint Sixtus soll demnächst auch außerhalb der Brauerei zu haben sein.
Ben Kirst, 22. Mai 2023
English Version
Das ist gleich die zweite kleine Revolution in der sonst so ruhigen Atmosphäre, die die Abdij Sint Sixtus im belgischen Westflandern, unweit der französischen Grenze, umgibt. Und wie in diesem Kontext nicht anders zu erwarten geht es natürlich um das berühmte Westvleteren Bier, das dort unter Aufsicht der Trappisten-Mönche gebraut wird.
Erst das Aussehen, jetzt die Vertriebswege

Erst vor Kurzem hatte man bekannt gegeben, das extrem puristische Flaschendesign, das die Erscheinung der lediglich 3 in der abteieigenen Brauerei produzierten Biere (Blond, 8 und 12) so deutlich von anderen Bieren abhebt, zu ändern. Die Flaschen trugen nämlich bisher keine Bauchbanderole, die die normalerweise üblichen Informationen (Inhaltsstoffe, Alkoholgehalt, Füllvolumen, etc.). Bisher fanden sich lediglich, die konkret gesetzlich vorgeschriebenen Angaben auf den Kronkorken gedruckt. Mit der Einführung eines Bauchetiketts auf den Flaschen kam man nun im letzten Jahr den Interessen der heutigen Konsumenten entgegen, wie das belgische Medienunternehmen VRT Bruder Godfrey auf seiner Seite zitiert.
Der jetzt bekannt gewordene Schritt ist aber wesentlich elementarer, war es doch bisher nur unter strengen Auflagen und ausschließlich vor Ort möglich, überhaupt in den Genuss des Bieres zu kommen. So musste, wer Flaschen aus der Abtei nach Hause holen wollte, sich mit Auto-Kennzeichen (ab der Pandemie dann online) anmelden, um vorfahren und den Kofferraum mit dem kostbaren Elixir beladen zu können. Seinen Wert generierte das Bier dann nicht allein über die unbestritten hohe Qualität. Die Tatsache, dass die persönliche Abholmenge pro Jahr begrenzt wurde, trug zu einem reghaften Schwarzhandel bei, der zum Teil fantastische Blüten trug, bei. Güterverknappung? Da kennt der Markt nur eine Antwort: Wucher!
Lebendiger Schwarzmarkt trotz Klausel
Dabei hatten sich die Abholenden zuvor verpflichtet, das Bier lediglich für den privaten Gebrauch zu verwenden. Jegliche kommerzielle Weitergabe wurde von den Mönchen untersagt, und man musste diesem Ansinnen auf der Website zustimmen. Die Bottleshops dieser Welt hielt das ganz offensichtlich nicht davon ab, dennoch mit dem so elaborierten Gebräu zu handeln. Ich habe allein in europäischen Fachgeschäften (in Deutschland, Slowenien, Belgien, Frankreich, Österreich und den Niederlanden) Exemplare mit Preisen von 8 bis unfassbaren 25 Euro pro 0,33 Liter-Flasche gesehen. Selbst große Händler gaben nicht viel um die Klausel und boten die Flaschen in ihren Onlineshops an. Der verschiedentlich ausgerufene Superlativ „bestes Bier der Welt“ tat das seine dazu, dass selbst die dreistesten Spekulanten (bzw. ihre Opfer im Einzelhandel) nicht auf der feilgebotenen Ware sitzenblieben – obwohl keine der Flaschen am Abteitor die 5 Euro-Grenze überschritten hatte.
Auf eben diese Wucherungen kapitalistischer Behauptungs-, Ertrags- und Vermehrungslogiken reagieren nun die Mönche mit einer kleinen Revolution. Man kehrt dem so viele Jahrzehnte gepflegten Mythos zwar nicht ganz den Rücken, lässt aber ein paar Lücken in die dicken Klostermauern einziehen.
Man durfte sich schon vorher wundern, wie lange ausgerechnet die Zisterzienser der Strengen Observanz, wie der Orden der Trappisten eigentlich heißt, diesem Wucher schweigend beiwohnten – oder es auf die distinkte Weltabgewandtheit der Mönche schieben. Denn die Erträge, die ein Trappisten-Kloster erwirtschaftet, sollen immer bescheiden und wesentlich auf den Lebensunterhalt begrenzt sein. Nicht anzustrebende Überschüsse kommen karitativen Zwecken zu Gute und tragen nicht zum Wachstum oder der Bereicherung bei. Wobei man natürlich nicht bestreiten kann, dass es jenen Klöstern, die gefragt Güter wie Bier oder Käse produzieren, wirtschaftlich besser geht, als jenen, die das nicht in dem Maße tun.
Nun also der proaktive Schritt gegen den Wucher: Trappist Westvleteren Blond, 8 und 12 sollen bald nicht allein in Westflandern, sondern auch bei ausgewählten, unabhängigen Händlern zu erwerben sein.
Wie De Telegraaf schreibt ist von einer zunächst einjährigen Testphase die Rede. Außerdem geht es (in der niederländischen Zeitung) auch erstmal nur um die Niederlande. So wie es aussieht, wird man dort demnächst bei vielen unabhängigen Händlern Westi in kleinen Mengen in Pappkartons kaufen können.
Ich werde mich im Sommer mal wieder intensiv in Utrecht umsehen – das war aber zu meinem Glück schon vorher geplant und hat nichts mit den Gärerzeugnissen streng gläubiger Männer ohne Smartphone zu tun.
Wer Freunde in den Niederlanden hat, sollte aber vielleicht langsam erwägen mal wieder eine Mail zu schreiben, in der man beiläufig erwähnt, dass man darüber nachgedacht habe, ganz eventuell bald mal wieder zu Besuch zu kommen.
Ein Kommentar zu „[Spotlight] Gibt es das ikonische Westvleteren-Bier bald auch legal im Bottleshop?“