Nachdem das Atelier der Braukünste in bisher jedem Tasting, in dem es vertreten war, den Publikumsliebling gestellt hat, ist es an der Zeit der sympathischen Mikrobrauerei aus dem beschaulichen Romrod in Mittelhessen auch hier mal ein wenig Aufmerksamkeit zu schenken…
Biere gibt’s wie Sand am Meer. Ein Teil des Supermarktangebotes fällt dann über die Tischkante, wenn wir über gut gemachte Biere sprechen wollen. Spätestens bei den Attributen >gut gemachte und wirklich interessante Biere< wird die Luft im Land langsam dünn. Wenn wir dann noch die Regionalität ins Auge fassen, bleibt in Mittelhessen nur noch einer stehen, der in der Lage ist, Geschmackshorizonte mit exzellentem Bier zu erweitern: Nico Döring vom Atelier der Braukünste.
Nach den unwahrscheinlichen Auszeichnungen der letzten Jahre (Silber und Platin bei den Meininger Craft Beer Awards, Silber beim European Beer Star!) wurde die 200 Liter-Brauanlage im heimischen Schloss Romrod langsam zu klein. Eigentlich ist Nico Döring nämlich einer der Geschäftsführer des Hotels Schloss Romrod. Als Hobbybrauer hat er den Weg in die Kreativbier-Szene gefunden, und wandelt heute zwischen den Welten. Um die steigende Nachfrage aus dem gesamten Bundesgebiet bedienen zu können, lässt er heute einen Teil seiner Biere in der Nähe von Bamberg brauen. Das Brauhaus Binkert ist in der Szene durchaus gefragt für das so genannte Gypsy-, Kuckucks- oder einfach: Wanderbrauen. Und wer die dort gebrauten Biere kostet, muss zumindest feststellen: die Qualität stimmt!
Messen und gemessen werden
Der Lohn ist Platz zwei unter allen deutschen Brauereien auf der Bier-Ratingplattform Untappd mit sagenhaften 3,98 von 5 möglichen Punkten, basierend auf der Durchschnittsbewertung aller gelisteten Biere. Damit steht die Vogelsberger Mikrobrauerei noch vor Szene-Größen wie Frau Gruber aus Augsburg (3., 3,91 ∅), Sudden Death aus Timmendorfer Strand (7., 3,84 ∅) und Fürst Wiacek aus Berlin (9., 3,83 ∅)!
„Climb the ladder to success, escalator Style“Notorious B.I.G.
Trotzdem ist das Doppelleben ein hartes Geschäft: tagsüber die Geschäftsführung; abends, nachts und wochenends gefragter Szene-Brauer. Denn Nico Döring ist tatsächlich unglaublich viel unterwegs. Gerade in der Messe-Saison von Frühjahr bis Frühherbst ist das eine echte Herausforderung. Denn neben der Produktion, wollen neue Bier-Ideen entwickelt und fertige Biere auf Messen persönlich an den Mensch gebracht werden.

Und letzteres ist so eine Art Paradedisziplin der Braukünstler. Nico Döring hat immer ein paar Specials dabei, die es in Flaschen nicht zu kaufen gibt. Das Macadamia Nut Porter /// Nitro Foam Festival Edition trägt seine Exklusivität schon im Namen: wer in den Genuss kommen möchte, muss eines der vielen Bier-Festivals besuchen, auf denen das Atelier vertreten ist, und wird dafür mit einer kleinen Erleuchtung belohnt – das kann Bier! Raue Mengen der sündhaft teuren Königin der Nüsse werden handgeröstet und zu einem natürlichen Sirup verarbeitet, der mit Stickstoff auf das Samt&Seide-Porter gesprüht wird. Der nussig-süße, feinperlige Schaum (fast mehr eine Crème) verbindet sich auf einzigartige Weise mit den sanften schokoladigen Röstaromen des Bieres darunter. Für mich der perfekte Nachtisch – ich warte noch auf die Gelegenheit eine Kugel Vanilleeis darin zu versenken. Selten erreichte 4,25 von 5 Punkten auf der Rating-Plattform Untappd sprechen eine eigene Sprache…
Das Gesamtbild spielt für die Mittelhessen insgesamt eine große Rolle. Die von Visual Arts-Künstler Jörg Karg gestalteten Flaschen-Etiketten stechen sofort ins Auge und machen jedes Bier der Range zu einem absolut perfekten Mitbringsel für Menschen mit einem Hang zur ganzheitlichen Ästhetik. Namen wie „Philanthropische Geste“ (Pale Ale), „Temporär Tourette“ (New England IPA) oder „Truman Syndrome“ (Mosaic IPA DDH und einen Wiki-Klick wert!) zeugen davon, dass hier in jeden Aspekt des Produkts viel Liebe fließt.
So attraktiv die Fassade, so besonders ist jedes einzelne Bier in der Produktion. Ausgewählte Zutaten, die (Gruß an die Puristen) das im Kreativbier-Sektor durchaus kontrovers diskutierte Reinheitsgebot nur sorgsam dehnen (etwa durch die Zugabe von Dinkel oder anderen Getreidesorten statt Gerstenmalz), werden zu einem Sud zusammengebracht, auf dem sich dann nicht selten gleich zwei unterschiedliche Hefen austoben dürfen. Im Fall des jüngsten Bieres der Range, dem Truman Syndrome, eines doppelt hopfengestopften[1] IPA, handelt es sich dabei um eine verbreitete amerikanische Ale-Hefe (Chico) und eine Riesling-Hefe.
„Biere mit artgerechter Haltung“ nennt Nico Döring diese Philosopohie.
Das Ergebnis sind in jedem Fall Biere mit sehr hoher drinkability – Biere also, bei denen man nach dem Absetzen schon Lust auf ein Weiteres hat. Dieser Charakterzug zieht sich durch nahezu alle Biere des Portfolios. Nicht von ungefähr bekommen Nico Döring und seine Mitstreiter*innen auf Messen kaum Gelegenheit für Pausen. Die Zeit für längere Erklärungen zu seinen Bieren und Themen, die Besucherinnen mitbringen, nimmt sich der Braukünstler aber immer – egal wie lang die Schlange ist.
Auf der Craft Beer-Messe in Frankfurt war die Meinung um den Stand herum jedenfalls einhellig: „das ist vermutlich der einzige Stand, bei dem man garantiert einen Gewinn aus der Loskugel zieht – egal welches Bier man wählt!“. Grund genug, die in der Flasche erhältlichen Biere nicht nur in den Fermentos-Tastings sondern auch hier in loser Reihenfolge vorzustellen.
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Atelier der Braukünste
Schloss Romrod | 36329 Romrod
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[1] Beim sogenannten Hopfenstopfen (engl. dry hopping) werden relativ große Mengen Hopfens mit hohen Aromaölanteilen nach der Gärung zum Jungbier gegeben. Dadurch lassen sich große Teile der Aromakomponenten im Bier halten, die ansonsten durch Kochen oder die aufsteigende Kohlensäure während der Gärung ausgetrieben werden.
Mai 2019
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2 Kommentare zu „[Spotlight] Atelier der Braukünste“